Links / rechts / quer

Ist die Freiburger Querdenker Bewegung rechts?

Aufgrund meiner Begegnungen sowohl auf der Demo als auch in meinem eigenen Freundes- und Bekanntenkreis glaube ich, die hiesigen Corona Maßnahmenkritiker in der rechten Ecke zu verorten ist überwiegend unzutreffend. Und es führt nirgendwo hin. Ich bin sicher, dass viele der Querdenker Demonstranten auch 2015 auf der Anti-Pegida Demo dabei waren. Wir sollten den intellektuellen Ehrgeiz aufbringen, genauer hinzuschauen, und ggf. zu akzeptieren, dass hier etwas los ist, das mit den uns geläufigen Schablonen nicht ohne weiteres zur Deckung kommt.

Nicht jeder, dessen Bedürfnis sich von den Rechten abzugrenzen weniger ausgeprägt ist, als es uns gefallen würde, ist deshalb automatisch selber ein Rechter. Er ist vielleicht auch nur apolitisch. Oder er ist gerade sehr stark von ganz anderen Problemen absorbiert, als dem einen oder anderen AfD-ler, oder sogar Bilderbuch-Nazi, der unter ein paar Tausend Leuten auch noch mitläuft. Und nicht jeder, der eine Diktatur wähnt, wo keine ist, ist deshalb ein Anti-Demokrat. Aber er ist wahrscheinlich verführbar durch Antidemokraten. Wir müssen also nicht die Demokratie vor diesen Leuten retten, sondern diese Leute für die Demokratie zurückgewinnen. Maßnahmenkritiker, die sich definitiv nicht als Rechte verstehen, in einen Sack mit der AfD zu stecken, und draufzuhauen, wird allenfalls dazau führen, dass sie sich irgendwann der AfD näher fühlen als uns. Diesen Gefallen sollten wir der AfD nicht tun.

Ich halte also die Querdenker Verschwörungstheorien für gefährlich, aber nicht deshalb weil sie genuin rechts wären, sondern deshalb, weil sie alle wesentlichen Institutionen unserer Gesellschaft: gewählte Politiker, Richter, die Medien, Wissenschaft, Behörden pauschal und radikal delegitimieren. Diesen Aspekt hat sie mit den Rechtsextremen gemeinsam. Anders als die Rechte hat sie aber keinen kohärenten gesellschaftlichen Gegenentwurf: „Freiheit, Achtsamkeit, Schwarmintelligenz“ ist kein Programm und keine Ideologie. Merkmale rechter Ideologie: Rassismus, Nationalismus, totalitärer Kollektivismus, Völkisches, Hass auf Minderheiten, generell Menschenverachtendes kann ich auf den Querdenker Demos kaum erkennen, es herrscht eher Individualismus, Anarchismus, und exzessives Misstrauen gegenüber skrupellosen Konzernen und einen diesen Konzernen willfährigen Marionettenstaat. Das sind im Zweifel sogar eher linke als rechte Motive. Wichtige Vordenker der Querdenker-Szene wie Anselm Lenz ("Demokratischer Widerstand") oder Giorgio Agamben kommen von links. Die vorherrschenden Verschwörungserzählungen propagieren also kein faschistisches Gesellschaftsideal, sondern schaffen zunächst lediglich ein Legitimations-Vakuum („alles Verbrecher, von denen wir uns befreien müssen!“), das darauf wartet, von irgendjemandem gefüllt zu werden. Das könnte dann ein Rechter sein, aber vielleicht auch „nur“ ein charismatischer, eher apolitischer Soziopath vom Schlage Donald Trump, Beppe Grillo. Dass die Rechte mit Blick auf die Querdenker Bewegung mit den Hufen scharrt, ist allerdings in den social Media Kanälen und auch bei der AfD unübersehbar.

Die Querdenker sehen sich selbst als Verteidiger der Demokratie gegen einen heraufziehenden neuen Faschismus. Sie identifizieren sich mit der weißen Rose, Hannah Ahrend, Eugen Drewermann, Dietrich Bonhoeffer, Bertold Brecht, Wolfgang Borchert, Martin Luther King, und spielen Janis Joplin, John Lennon und Bella Ciao. Wie genau begründen wir, dass wir die echten Faschismus-Bekämpfer sind, und sie die falschen? Wäre es nicht besser, die Schablone „Faschismus“, mit der letztlich jeder hantieren kann, wegzulassen, und uns auf deren konkrete Erzählungen zu beziehen: Können und wollen sie sich abgrenzen von dem Extremismus eines Rainer Füllmich, Spitzenkandidat von dieBasis und Organisator des auf den Demos viel beworbenen „Corona Ausschusses“, der explizit behauptet, die Impfung sei ein organisierterMassenmord, die erste, noch experimentelle Phase eines gigantischen Eugenik Programmes zur Dezimierung der Weltbevölkerung, begangen von einer verbrecherischen Regierung, die in Wahrheit die Marionette „anglo-amerikanischer Tycoons“ ist? Und der unverhohlen zu einem Umsturz aufruft? Fast alle Leute auf den Demos hängen irgendwelchen Verschwörungstheorien an. Wie weit gehen sie damit? Wie ernst ist es ihnen damit?

Geht es ihnen primär um die realen Sorgen und Nöte von Leuten, die sich nicht impfen lassen wollen? Oder geht es um die große apokalyptische Erzählung?

Sind sie bereit, die Ergebnisse demokratischer Wahlen, und die Urteile ordentlicher Gerichte, namentlich des Verfassungsgerichts anzuerkennen? Oder propagieren sie die Außerkraftsetzung dieser Institutionen, also einen Umsturz?

Diese Fragen sollten wir stellen.

Meine Beobachtungen decken sich gut mit den Ergebnissen der Studie von Oliver Nachtwey. Nach seinen Erhebungen kommen die Leute überwiegend aus linksliberalen, oft auch akademischen Milieus, könnten aber nach rechts abwandern. Eine Strategie müsste versuchen, dem entgegenzuwirken.

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