Es gibt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Corona Verschwörung

Damit könnte alles gesagt sein. Leider ist aber die Zahl der Leute, die an eine solche Verschwörung glauben, die Intensität, mit der sie das tun, und die Auswirkungen dieser Infodemie zu groß, um sie ignorieren zu können. 

Es soll hier nicht um die Leute gehen, die am Agieren der Regierung in der Corona Krise etwas auszusetzen haben – das hat praktisch jeder. Es soll um die gehen, für die die Pandemie eine „Plandemie“ ist, ein Vorwand für eine finstere Agenda, die vor der Bevölkerung geheim gehalten werden soll. 

Ich besuche seit rund 3 Monaten die Freiburger Querdenker Demos, und habe dort, sowie im privaten Umfeld, und auch in diversen social media Kanälen sehr viele Gespräche mit Maßnahmenkritikern geführt. Ich unterstütze das Bündnis FreiVAC, das am 15. Januar eine Gegendemonstration organisiert hat. Nachdem die Maßnahmenkritiker mit ihren Demos monatelang die Straßen weitgehend alleine beherrscht hatten, bin ich froh, dass sich hier eine sichtbare Gegenbewegung formiert.   

Allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass die bislang formulierten Analysen und Strategien diesem Phänomen hinreichend gerecht werden. In den Reden auf der Gegendemo am 15.01. wurde festgestellt, dass die Bewegung sich von rechten und antisemitische Tendenzen zumindest nicht klar distanziert, dass Corona in unverantwortlicher Weise verharmlost wird, und dass Verschwörungsmythen propagiert werden. Als Rezept wurde eine scharfe Abgrenzung von den Querdenkern gefordert. Monika Stein brachte es auf den Punkt: „In Freiburg ist kein Platz für Querdenker.“ 

Was in den Reden auf der Veranstaltung nicht vorkam, war die Erwähnung der  Möglichkeit eines Dialogs mit diesen Leuten. „Querdenker raus“ ist ein Abwehrreflex, aber keine Agenda, keine Strategie und keine Lösung. Diese Leute sind Mitbürger. Ich glaube, wir müssen das Kunststück fertigbringen, nicht die Querdenker zu bekämpfen, sondern das Gift in deren Köpfen.

Comments

  1. Herr Sautter,

    auch wenn dieser Artikel nun schon älter und das Thema nicht mehr wirklich aktuell ist, möchte ich diese Gelegenheit nutzen, Ihnen hier meinen Dank auszusprechen.

    Ich selbst war - zu meiner Schande und meinem Bedauern - im Zeitraum vom Spätsommer 2021 bis zum Februar 2022 aktiver Teil der Freiburger "Querdenken"-Bewegung und der Partei "die Basis". Seinerzeit waren die "3G"-Regelungen der Anstoß, mich diesen Gruppen anzuschließen. Meine Aktivitäten habe ich nach etwa einem halben Jahr stückweise aufgegeben und sämtliche Kontakte eingestellt.

    Unter anderem Ihrem öffentlichen Engagement habe ich es zu verdanken, dass ich nach und nach erkannt habe, in welch' bizarre Parallelwelt ich mich begeben hatte.
    Habe ich mich zu Beginn noch damit begnügt, Vorwürfe der Infiltration durch sog. "Reichsbürger" und "Q-Anon"-Anhänger und Vorwürfe der radikalen, irrationalen Agitation gegen den Staat und seine Entscheidungen während der Pandemie, als reine Diskreditierungsversuche abzutun und zu ignorieren, so wurde dies im Laufe der Zeit unmöglich.

    Denn durch meinen "Insider-Blick", durch genaues Hinhören und letztlich auch durch Ihr Wirken, etwa bei dem Versuch, einen konstruktiven Dialog im Telegram-Kanal der Freiburger "Basis" zu suchen, musste ich schmerzlich erfahren, dass die obigen Vorwürfe nicht aus der Luft gegriffen waren.
    Ihr Verweis etwa auf diverse verbale Entgleisungen Rainer Füllmichs, in Stil und Inhalt ähnliche Äußerungen Sucharit Bhakdis und letztlich die irrationale, im Grunde tief pessimistische Gefühls- und Meinungswelt dieser Bewegung haben mir die Augen geöffnet. In zunehmend kritischer Auseinandersetzung mit meiner eigenen Rage und meinem Unverständnis für die Maßnehmen der Politik, habe ich dann durch eigene Recherchen begonnen, mich von diesem Milieu zu entfremden.

    Letztlich habe ich auch erkannt, dass die eigens gesetzten Ansprüche der “Querdenker”, etwa "alles zu hinterfragen und wenig zu glauben" völlig ad absurdum geführt wurden, indem pauschales und irrationales Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen, wissenschaftlichen Empfehlungen und sog. “Mainstreammedien” gehegt wurde, gleichzeitig aber den als "alternativ" anerkannten Medien teil blindes Vertrauen geschenkt wurde, egal wie abenteuerlich deren Theorien zur Impfung oder “Plandemie” auch sein mochten.
    Und dass einerseits der zugleich wohlklingende, wie auch oberflächliche Slogan “Frieden, Freiheit und Demokratie” propagiert wurde, zugleich Infiltrationsversuche durch rechtsradikale Akteure sorglos hingenommenen oder nicht wahrgenommene wurden, war für mich eine weitere entscheidende Erkenntnis. Von der inhaltlichen Ebene der in jenen “alternativen” Medien verbreiteten kruden Thesen aller Art zu ganz zu Schweigen.

    Übrigens teile ich auch Ihre Einschätzung bzgl. der ideologischen Verortung (“links/rechts/quer”). Ich selbst war weder vor meiner Verirrung in die "Querdenker"-Szene, noch danach interessiert an Esoterik, ein notorischer Impfgegner oder in politisch radikalisierten Kreisen zu verorten. Nichtsdestotrotz, habe ich mich von der Agitation der “Querdenker” auf fatale Weise vereinnahmen und verunsichern lassen. Und mich sodann auf den (scheinbaren) Einsatz für Freiheit, für Verhältnismäßigkeit und Rechtsstaatlichkeit berufen.
    Inzwischen habe ich meine Lektion gelernt.
    Leider scheint der “Boom” mit Verschwörungsmythen auch in 2023 noch anzuhalten, auch wenn die Themen heute andere sind.

    Jedenfalls wünsche ich Ihnen alles Gute.

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    1. hallo Anonymus,
      Jetzt erst gelesen !
      Ich habe immer gehofft, dass mein letztes Schild "Querdenken ist heilbar", nicht NUR eine Provokation, sondern auch eine reale Chance sein könnte.
      Ich gratuliere also zum Ausstieg, es macht Hoffung zu sehen, dass das geht!

      Grüße, Jochen Sautter

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